OHmannO(h)man

28°Grad Sonne, 26° Grad Sonne, 27° Grad Sonne, 30° Grad Sonne....seit Wochen verfolge ich das Wetter im Oman, und langsam wird die Vorfreude auf unseren vierwöchigen Klettertrip in das Sultanat zu einer diebischen Vorfreude – beim Blick nach draußen ins immer währende Deutschland-Winter-Niesel-Nasskalt-Wetter und dem grausamen 3° Grad Dauergrau der letzten Wochen. Die Haulbags sind schon dreimal umgepackt, und ein paar Kilo Material haben wir bereits zur Post gebracht. Es kann endlich losgehen. Das Abenteuer Oman beginnt. Jens, Alex, Christian und ich stehen am Check-in. Ein letzter Blick in die WetterApp und, naja kann ja gar nicht sein, es regnet...ha, das ist bestimmt ein Bug im Programm. Anschnallen und via Dubai geht die Reise los...

Das Sultanat Oman liegt im Südosten der arabischen Halbinsel und grenzt an den indischen Ozean, den Golf von Oman und die V.A. Emirate, Saudi Arabien und dem Jemen. Das Land ist etwa so groß wie Italien und hat ca. 3,5 Mio Einwohner, wovon etwa 1,5 Mio in der Hauptstadt Muscat leben. Die Landessprache ist Arabisch, mit Englisch kommt man aber in den touristischen Gegenden gut klar (weiter im Inland sind es dann nur noch die jüngeren Omanis, die Englisch können). Die Staatsreligion ist der Islam und die Regierung eine Monarchie unter dem Sultan Qaboos bin Said. Das Land wird streng absolutistisch, aber für hiesige Verhältnisse sehr umsichtig regiert. Die Omanis sind offen, reich, neugierig und unglaublich gastfreundlich. Öl sprudelt noch einige Jahre aus dem Boden und sorgt für eine kostenlose Bildung und Gesundheitsvorsorge und eine fast westlich anmutende Infrastruktur. Ach ja und mit dem Jebel Misht hat es den höchsten freistehenden Felszapfen der arabischen Halbinsel.

 Jens Schwan, Alexander Lorrek, Christian Kunert und Thomas Fischer

Ungläubig stehen wir vor dem Flughafengebäude und starren auf ein paar Pfützen auf der Straße. Die Berge sind mit dicken Wolken verhangen, es ist schwülwarm und gleichzeitig brutzelt die Sonne von hinten auf unser fluggeschädigtes Hirn. Regen im Oman, das hat Seltenheitswert und wir scheren uns erst einmal nicht groß darum, Regen sind wir ja gewohnt. Als dann der schöne Geländewagen bei der Suche nach dem Postamt plötzlich mitten in der Innenstadt von Muscat vor einem See steht, bin ich erst einmal verwirrt und muss erst angehupt werden, bevor es einfach hoch aufspritzend mitten hindurch geht. Anscheinend sitzt jetzt jeder hier in seinem Geländewagen und düst durch einen Bach, brettert durch eine Pfütze und versenkt seinen nagelneuen Geländewagen im Schlamm. Volksfeststimmung im Oman: Es hat geregnet! Die Flüsse sind übergetreten, Bachläufe sind zu reißenden Strömen geworden, Kinder sitzen auf dem Autodach und werden laut johlend durch riesige Seen gefahren. Das Wasser spritzt, überall Schlamm und Dreck, ein flammneuer Toyota rutscht von der Böschung und versinkt bis über die Scheibe im Wasser. Wir suchen uns einen Schlafplatz abseits des Rummels und hören noch lange die aufbrüllenden Motorgeräusche.

   

Am nächsten Morgen ist der Spuk genauso schnell vorbei, wie er gekommen ist. Der Fluß an dem wir mückenreich übernachtet haben ist weit zurück gegangen und die Straße mit dem Patrol wieder befahrbar. Wir holpern ein Stück in den Wadi Mayh, vorbei an lehmüberzogenen SUVs die sich fett in den Schlamm eingegraben haben und wohl erst später geborgen werden. Dann achtet da plötzlich keiner mehr drauf, denn wir stehen unter der ersten Wand im Oman und das Kletterzeug muss blitzschnell raus aus der Karre und wir rein in die Wand. Der Scorpion Buttress ruft, und ein paar hübsche Seillängen später stehen wir auf der Schulter und blicken weit über das Land. Es ist heiß, die Sonne kommt bald um die Ecke, und wir sind nach nur 5 Seillängen ganz schön ausgedorrt. In der Sonne selbst hält man es nicht aus, da wird man gebraten, also ergreifen wir die Flucht und fahren noch ein Stück südwärts in das Wadi Daykah. Wir müssen noch ein paar Tage ausharren, denn das Postamt war gestern bereits geschlossen, nachdem wir es endlich nach Stunden der Suche gefunden hatten. So verbringen wir zwei Tage beim Sportklettern im Wadi, versuchen den Geländewagen durch Pfützen und Schluchten zu rangieren und gewöhnen uns an die Temperaturen.

Endlich ist das Wochenende rum und wir fahren voller Erwartung zurück nach Muscat zum Postamt. Nach einigen Sprachmissverständnissen wird irgendwann klar, dass wir auf dem falschen Postamt stehen. Luftfracht, das ist direkt neben dem Flughafen...und obendrein umsonst gewartet, dort ist ja täglich geöffnet. Na immerhin fehlt ein Paket, sonst wäre es ja doch noch zu glatt gelaufen. Nachdem jeder Millimeter des Innenraums auch noch mit Verpflegung und Wasser vollgestopft worden ist und wir noch einmal quer durch die Millionenstadt gurken dürfen, geht es endlich in die Berge des Hajar Gebirges. Wir nehmen die Geländewagenvariante und fahren über Nizwa Richtung Ghul. Hier geht es holprig von der Hauptpiste ab und der Allrad darf zum ersten Mal Ernst machen. Leider nur für wenige Meter, denn dann liegt auf einmal ein Geröllfeld vor uns. Hier muss ein Bach übergetreten sein, denn nach 20 Metern ist der Weg wieder frei. Genau hinter der Blockade liegt ein schöner Zeltplatz, so dass wir beschließen, den Weg frei zu räumen. Eine ziemliche Buckelei, und bevor es dann ganz dunkel wird machen wir einen Versuch. Christian zeigt vorne an und ich lasse die Reifen langsam von Felsblock zu Felsblock gleiten. Ein paar schnelle Korrekturen und ein Aufheulen des Motors, dann sind wir auf der anderen Seite und es ist auch schlagartig dunkel. Das fühlt sich so an, als würde da oben jemand das Licht ausschalten. Kaum dämmert es, muss man einen Schlafplatz in Sichtweite haben, sonst ist es für eine Suche zu spät. Dafür liegt der Oman schon zu dicht am Äquator. Mit einer sternenklaren Nacht werden wir für unsere Arbeit belohnt und sitzen noch lange am Lagerfeuer. So hatten wir uns das vorgestellt!

Am Morgen dann die Ernüchterung. Nach nur 500 Metern ist die Straße komplett weg. Große Geröllbrocken liegen kreuz und quer herum, auf 300 Metern sieht es aus wie nach einem Erdrutsch. Da ist nichts zu machen. Wir geben auf und kehren um. Noch einmal durch die Geröllpassage eiern und dann fahren wir die 100 Kilometer außen um den Bergkamm herum. Am Mittag dann am Horizont der Strasse: der Jebel Misht. Die Wand flimmert in der Sonne und ragt hoch über der Ebene auf. Ein echter Brocken, noch viel beeindruckender, als auf den Fotos die wir vorher gesehen hatten. Ziemlich schnell wird aber klar, dass unser Traum von einer neuen Route in der Ostwand nix werden wird. Die Sonne verschwindet erst um 4 Uhr nachmittags aus der Wand, dann kühlt es eine Stunde etwas runter und danach könnte man eine Stunde klettern, bevor wieder – knips – das Licht ausgeht. Ziemlich zerknirscht ziehen wir erst einmal ab und fahren in das gegenüberliegende Pala Gebirge, was zum überwiegenden Teil nord und westseitig im Schatten liegt. Eine steile Straße führt uns hoch nach K'Saw und wir werden freundlich von den Einheimischen aufgenommen. Unser Zelt dürfen wir kurz vor dem Dorf auf einer kleinen Ebene aufbauen und schon sind wir beim allabendlichen Volleyballspiel dabei. Saif, einer der pfiffigsten Jungs aus dem Dorf hat uns gleich vereinnahmt und wir werden vom Dorfvorsteher mit Kaffee, Brot, Honig und Datteln versorgt. Ein schöner Empfang, ein toller Platz und für die nächsten Tage richten wir uns erst einmal unser Lager hier oben ein.

Am nächsten Tag geht es gleich vom Zelt aus geradewegs (oder besser gesagt geradeweglos) hoch zur Wand. Im linken Teil sticht einem sofort, wenn man da oben ankommt eine dicke Verschneidung ins Auge - die muss es heute sein. Nassgeschwitzt am Einstieg binde ich mir das Zeug um und klettere los. Auf den ersten Klettermetern ist es ziemlich brüchig. So ein Mist. An einer Stelle reiße ich zum ersten Mal in echt vielen Kletterjahren beide Griffe gleichzeitig aus der Wand. Nur durch Glück falle ich nicht aus der Wand. Klettern lässt sich überall und manchmal stürmt man irgendwo hoch, nur um dann feststellen zu müssen, dass es da doch nicht lang geht. Absicherung so lala würde man wohl schreiben, nach einem 1er Rock geht es dann mal zehn Meter hoch. Gut das es nur moderate Schwierigkeiten sind. Oben angekommen sind wir ein wenig enttäuscht, sah die Wand von unten doch wirklich viel eindrucksvoller aus. Ein längerer Blick in den komischen Kletterführer und das Bewusstmachen des Routennamens (DumDum Verschneidung) hätte uns vorher drauf kommen lassen können, dass das eine Murxtour ist. Naja, am nächsten Tag machen wir endlich mal was Längeres und klettern durch die Jabal Kawr Ostwand. Ein unscharfes Foto der Wand, ein Topo, so aus der Hüfte gekrakelt, 400 Meter ohne jede Spur einer Begehung. Kein Haken weist den Weg, kein Standplatz, kein Nix – irgendwann sind wir wohl oben und krabbeln über den Abstiegsweg wieder ins Tal. Der Fels war fest und die Linie OK, aber wir sind ausgetrocknet, verschwitzt und total dreckig, nach Tagen ohne duschen und richtig Wasser im Gesicht. Verstaubt trampeln wir durch den Ort zu unserem Zelt und werden schon von Saif mit einem Kaffee erwartet. Wir beklagen uns über die Hitze und das fehlende Wasser und er schaut uns nur fragend an. „Wir können doch zum Wasser gehen!“ Super Idee. Weit und breit nur Staub, Felsen und Hitze. „Aber es ist nicht weit! Nur eine Viertelstunde zu Fuß“. Wir schauen uns ungläubig an, denn hier ist doch nirgends auch nur ein Tropfen zu sehen und das Trinkwasser wird mit dem Jeep hochgefahren. Saif drängt uns zum Gehen und läuft mit uns durch den Ort. Dahinter macht der Weg einen Bogen um einen Bergkamm und wir verschwinden dort um die nächste Ecke. Nach einigen Minuten sollen wir hinhören....und tatsächlich, da rauscht irgendwo Wasser! Nur ein Stück weiter und wir sehen eine kleine Oase tief unten in einem Felskessel liegen. Nur noch wenige Minuten und wir liegen alle prustend in einem Becken direkt unter einem kleinen Wasserfall und lassen das kühle Nass nur so auf uns runter prasseln. Endlich verschwindet die schmierige Schicht auf der Haut und wir fühlen uns nach Tagen des Dauerschwitzens wie neu geboren.

  

Mit den neuen Lebensgeistern wecken wir auch neue Energien und beschließen in der Wand oberhalb der Oase nach Neuland zu suchen. Mutig stürzen wir uns in das Projekt, müssen nur schnell feststellen, das der untere Teil der Tour gespickt ist mit schrankgroßen Blöcken, die darauf warten, von uns beim Klettern angestupst zu werden. So richten wir erst einmal Standplätze ein und säubern die Linie, was zu dem Routennamen „Männer die auf Ziegen werfen“ (3SL 6b+) führt. Die Ziegenherde, die immer ausgerechnet unter uns vor sich hin dümpelte war wohl froh, als wir nach einigen Tagen des Schleppens, Putzens und Räumens endlich aus der Wand verschwanden. Im oberen Teil hatten wir irgendwann keine Lust mehr das Projekt weiter zu treiben, wollten wir doch noch Einiges vom Land sehen und nicht nur bohrend, schwitzend und arbeitend in der Wand herum hängen.

  

Der Abschied aus dem netten Dorf wird uns durch einen kräftigen Regen (!) erleichtert, und nach einem Sightseeingtag und einer langen Fahrt via Al-Hotta-Höhle (wegen Überflutung geschlossen) erreichen wir im Regen (!) die Terrassen unterhalb des Wadi Bani. Das ist das größte Sportklettergebiet im Oman, eine tief eingeschnittene kleine Schlucht mit fließend Wasser für die Füße beim Sichern und schönen rauen Kalkwänden. Am Morgen kitzelt uns die Sonne aus dem Zelt und ein wieder stahlblauer Morgen bringt uns auf Trab. Auch hier ist es sehr warm, aber durch die automatische Fußkühlung und den Schatten in der Schlucht lässt es sich aushalten. Das Camp unter Palmen ist toll, Sternenhimmel, Lagerfeuer und wir treffen sogar mal andere Kletterer – ein Pärchen aus Amerika, das einen Kurztrip durch den Oman macht. Nach zwei Tagen brennt es wieder unter den Nägeln und wir richten 2 schöne neue Linien in der Schlucht ein. Jens eröffnet „Made in Germany, 7a+“ und knapp daneben entsteht „Crumpler, 6a+“. Als unsere Vorräte zur Neige gehen, ziehen wir weiter und besuchen noch die Spots Snake Canyon, Wadi Mistal und Kubrah Canyon. Alles schöne Sportklettergebiete, die wirklich tolle Routen im Angebot haben.

    

Mit den verschiedenen Gebieten schrauben wir uns langsam durch das Gebirge und immer ein Stückchen weiter der Küste zu. Ein bisschen Wehmut ist dabei, hatten wir doch eigentlich ganz Anderes vor, dennoch hat es jede Menge Spaß gemacht und dass wir hier durch Wetter und Bedingungen abgeworfen werden würden, hätten wir vorher nicht vermutet. Am Ende wollen wir dann entlang der Küstenlinie zurück nach Muscat. Dabei besichtigen wir Forts und Fischmärkte, den Souq von Mutrah und Barka, die unglaublich imposante Sultan Quabos Moschee, schlagen unser Zelt direkt am Strand auf oder in den entlegensten Winkeln des Hinterlandes und stromern so durchs Land. Überall treffen wir auf freundliche Omanis, die uns zum Kaffee und Datteln essen einladen und natürlich gleich ihr Handy zücken und uns zeigen, wo sie schon waren und welche Länder Europas sie schon bereist haben. Irgendwann bekommen wir auf einem Teppich sitzend das Kamelrennen vom letzten Wochenende gezeigt. Der Besitzer erklärt stolz, wie sein Kamel das Rennen gewonnen hat. Ich frage was so ein Kamel denn kostet und nach einigem ungläubigem Umrechnen stellen wir fest, dass da hinten in dem hölzernen Pferch, nur locker mit einer Schnur angebunden, Kamele im Wert von hunderttausend Euro und mehr stehen.

Irgendwann müssen auch wir das Märchen aus 1001 Nacht wieder verlassen und steigen ins Flugzeug zurück nach Deutschland. Auf dem Flug schmeckt das erste Bier nach 4 Wochen Abstinenz wirklich göttlich, und zu Hause erwartet uns schon der übliche Regen – diesmal ist er wieder kalt und naja, das haben wir auch irgendwie nicht anders erwartet....

  

Fazit:

Tolles Land, tolle Leute, tolle Kletterei, Wetter völlig unerwartet katastrophal.

Tipps für den Oman:

Beste Reisezeit ist Oktober bis April, zum Klettern eher Dezember und Januar, ansonsten ist es zumindest in der Sonne viel zu heiß.

Mit dem in Deutschland vertriebenen Kletterführer kann man bestenfalls das abendliche Lagerfeuer anzünden. Es gibt aber jede Menge guter Topos und Infos im Netz (http://omanclimbing.com/).

Mit einem Geländewagen kommt man in alle Gebiete, wenn man nur Sportklettern in Küstennähe machen möchte, so reicht auch ein normales Fahrzeug.

Übernachten entweder in sündhaft teuren, aber tollen Hotels. Zelten, in Absprache mit den Locals praktisch überall möglich.

Eine Reise in den Oman ist kein Billigtrip, die Supermarkt- und Mietpreise etc. sind unseren ähnlich, allerdings ist der schlechte (!!) Sprit sehr billig. Auf dem Markt lassen sich recht günstig Sachen kaufen.


Drucken   E-Mail